Was versteht man unter Zahnschäden und Zahnverletzungen?

Die Zähne sind im täglichen Leben vielfältigen Belastungen ausgesetzt, die in bestimmten Situationen die Stabilität des Zahnes überfordern und so zu Schäden führen können. So kann zum Beispiel das Auffangen eines geworfenen Steines mit dem Maul ebenso zum Abbrechen der Zahnkronen führen wie das aneinanderschlagen von Zähnen während einer Beißerei oder ein Sturz vom Arm des Besitzers. Die Liste der möglichen Ursachen einer solchen Verletzung läßt sich beliebig verlängern und würde den Rahmen dieser Seite sprengen. Neben diesen akut auftretenden Verletzungen findet man aber auch Schäden durch fehlerhaften Gebrauch und Überlastung, die zu langsamen auftretenden Veränderungen wie Abschliff der Zahnkronen führen. Darüber hinaus können angeborene oder erworbene Qualitätsmängel der Zahnsubstanz auch bei normalem Gebrauch der Zähne Schäden nach sich ziehen. Nicht zuletzt können auch beim Hund Schäden durch Karies und Auflösungen der Zahnsubstanz auftreten. Im folgenden werden die häufigsten Schäden und Verletzungen der Zähne erläutert.

Kronenfraktur

Unter einer Kronenfraktur versteht man den Bruch der Zahnkrone, wobei ein Teil der Zahnkrone verloren geht. Im einfachsten Fall ist nur ein geringer Teil der Krone geschädigt und die Wurzelhöhle ist nicht eröffnet worden. Die Erstversorgung dieser Verletzung besteht in der Glättung scharfer Bruchkanten und der Versiegelung der Bruchfläche. Durch das Zahnbein führen kleine Kanälchen bis zur Wurzelhöhle, durch die sonst Bakterien von der Bruchfläche bis in die Wurzelhöhle eindringen und dort zu Entzündungen führen können. Diese Gefahr ist bei jugendlichen Zähnen besonders hoch, da die Wurzelhöhle noch sehr groß ist und sich erst mit zunehmendem Alter verkleinert.
Die betroffenen Tiere zeigen nicht zwangsläufig eine Schmerzreaktion, manchmal werden solche Verletzungen erst durch Zufall entdeckt, z.B. bei einer Impfuntersuchung.

Manche Tiere zeigen jedoch auch durch ein verändertes Verhalten eine solche Verletzung an, zum Beispiel durch vermehrtes Lecken, Reiben der Pfote über das Maul, Speicheln und Unlust zu Kauen

Ist ein größerer Teil der Zahnkrone abgebrochen kann die Wurzelhöhle eröffnet sein. Dann liegt das weiche Wurzelgewebe frei und es kommt zu Blutungen aus der Wurzelhöhle. Diese müssen jedoch nicht immer vom Besitzer bemerkt werden, da die Tiere das Blut weglecken. Da jetzt auch der Nerv ungeschützt der Umwelt ausgeliefert ist, kommt es zu Schmerzreaktionen. Bakterien aus dem Maulbereich können ungehindert in die Wurzelhöhle gelangen und dort zu Infektionen und Entzündungen führen, die die Zahnwurzel zum Absterben bringen. Zu beachten ist dabei, das die Wurzelhöhle eine direkte Verbindung in den Kieferknochen darstellt. Bakterien können also über den offenen Zahn bis in den Knochen gelangen und dort schwerwiegende Schäden anrichten. Handelt es sich bei dem abgebrochenen Zahn um einen Milchzahn, sollte das nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Auch wenn der Milchzahn in absehbarer Zeit im Zuge des Zahnwechsel sowieso ausfällt, muß man bedenken das sich der neue, bleibende Zahn im Bereich der Wurzelspitze gerade bildet! Gelangen Bakterien in die offene Milchzahnwurzel, können sie sich leicht bis in die Wurzelspitze ausbreiten und von dort den Knochen und auch den Zahnkeim des neuen Zahnes befallen. Bleibende Schäden an dem neuen Zahn sind so vorprogrammiert.  Eine solche Verletzung ist ein Notfall und sollte so schnell wie möglich behandelt werden. Je nach Schwere der Wurzelschädigung kann dann eine Plombierung oder eine Wurzelfüllung durchgeführt werden. Ist die Wurzel oder der umgebende Knochen jedoch bereits zu schwer beschädigt, kann auch die Entfernung des Zahnes notwendig sein. Ein abgebrochener Milchzahn wird in der Regel gezogen.
Ist die akute Gefahr für den Zahn durch Behandlung abgewendet, kann zu einem späteren Zeitpunkt auch ein Kronenaufbau durchgeführt werden.

Kronenfraktur des Fangzahnes mit Eröffnung der Wurzelhöhle. Das Wurzelgewebe ist als rosa Punkt auf der Bruchfläche sichtbar und entspricht einer offenen Wunde!

Kronenfraktur des Reißzahnes mit Eröffnung der Wurzelhöhle. Das Wurzelgewebe ist deutlich sichtbar und entspricht einer offenen Wunde!

Wurzelfraktur

Bei einer Wurzelfraktur befindet sich die Bruchlinie tiefer am Zahn und verläuft oft nicht direkt sichtbar im Wurzelbereich des Zahnes, der im Kieferknochen verborgen ist. Dabei muß die Zahnkrone nicht zwingend verloren gehen, da sie von dem Teil des Zahnhalteapprates, der sich oberhalb der Bruchlinie befindet noch gehalten werden kann. Die Krone ist aber meistens instabil und läßt sich leicht bewegen oder sogar mit den Fingern entfernen. In diesen Fällen ist die Entfernung des Zahnes das Mittel der Wahl.

Die Wurzel muß dabei ausgegraben werden, eventuell ist es dafür notwendig, den Knochen von der Seite operativ zu eröffnen. Unbehandelt kann eine im Kieferknochen verbliebene Wurzel auch in der Folge zu entzündlichen Prozessen mit Knochenschäden führen. In einzelnen Fällen kann eine Wurzel im Kiefer verbleiben und wird einer Wurzelfüllungstherapie unterzogen. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn die Wurzel für den Aufbau einer Stiftkrone Verwendung finden soll.

Dieser Patient wurde wegen des abgebrochenen Fangzahn im linken Unterkiefer vorgestellt. Eine weitere Verletzung war nicht bekannt. Bei der Untersuchung der Zähne fiel jedoch eine leichte Beweglichkeit des 2. Schneidezahn des rechten Unterkiefer auf

Der gleiche Patient in der Röntgendiagnostik. Deutlich ist eine Bruchlinie in der Wurzel des 2. Schneidezahn des rechten Unterkiefer zu erkennen, die Zahnkrone ist leicht zur Mitte verschoben. Dieser Zahn wurde auf Wunsch des Besitzers vollständig entfernt. Eine Wurzelfüllungstherapie mit anschließender Versorgung durch eine Stiftkrone ist hier eine alternative Behandlungsmöglichkeit.

Kronenabschliff / Abrasion

Unter Kronenabschliff versteht man das massive Abschleifen der Zahnkrone durch übermäßige Kautätigkeit oder schädigende Kaugewohnheiten des Hundes. Dabei können die Zahnkronen bis auf die Höhe des Zahnfleisches abgeschliffen sein. Erfolgt dieser Abschliff langsam, hat die Wurzelhöhlel Zeit sich zurückzuziehen und Reparaturgewebe zu bilden, so das sie selber nicht eröffnet wird. Man erkennt die ehemalige Wurzelhöhle an den dunklen Punkten auf der Abschlifffläche. Erfolgt der Abschliff zu schnell, kann die Wurzelhöhle jedoch freigelegt werden und muß  behandelt werden.
Solche Phänomene können unter anderem verursacht werden durch übermäßiges Kauen auf Stöcken, Steinen, Tennisbällen oder Käfigstangen.

Kronenabschliff / Attrition

Bei dieser Art des Kronenabschliff reiben die Zahnkronen beim schließen des Maules gegeneinander und feilen sich so im Laufe der Zeit gegenseitig die Kronen ab. Die Ursache ist zumeist eine Fehlstellung eines Zahnes. Bei dem Patienten im Bild rechts war der Abstand zwischen dem dritten Schneidezahn und dem Fangzahn des Oberkiefer zu gering. Der untere Eckzahn hatte nicht genug Platz und hat sich im Laufe der Jahre zwischen den beiden oberen Zähnen nadelförmig abgeschliffen. Genau wie bei der Abrasion ist auch bei der Atrition die Geschwindigkeit des Abschliff wesentlich für die Eröffnung der Wurzelhöhle. In diesem Fall ist es durch den langsamen Abschliff noch nicht zur endgültigen Eröffnung gekommen. Durch den massiven Substanzverlust ist jedoch mit einem Bruch der Restkrone jederzeit zu rechnen, bei der dann die Wurzelhöhle plötzlich freizuliegen droht.

Der gleiche Patient in der Ansicht von vorne. Der Fangzahn auf der linken Bildseite ist vor kurzem frakturiert. Deutlich ist hier die eröffnete Wurzelhöhle sichtbar. Die Wurzelhöhle des rechts auf dem Bild sichtbaren Fangzahn schimmert bereits durch die sehr dünne Dentinschicht durch, ist aber noch nicht eröffnet.

Luxation / Aushebeln von Zähnen

Bei Beißereien oder wilden Spielen können sich die langen Exkzähne der Hunde untereinander verkeilen oder an Gegenständen wie beispielsweise Halsbänder verhaken. Versucht der Hund sich dann ruckartig zu befreien, kann der Zahn in seiner gesamten Länge aus dem Zahnfach herausgehebelt werden. Dadurch resultiert eine traumatische Fehlstellung oder der Verlust des gesamten Zahnes. In diesen Fällen kann der Zahn wieder in sein Zahnfach plaziert  und dort befestigt werden.

Auch vollständig ausgeschlagene Zähne können so wieder eingesetzt werden, wenn das Wiedereinsetzen schnell erfolgt. Einen ausgeschlagenen Zahn hebt man am besten in Milch auf, bis man einen Zahntierarzt erreicht. Keinesfalls sollte der Zahn zuvor gereinigt werden! Dabei würden die empfindlichen Zahnhalteapparatanteile, die sich an der Zahnwurzel befinden, zerstört werden

Schmelzschäden

Die äusserste Schicht der Zahnkrone, der Zahnschmelz, wird während der Zahnbildungsphase noch im Kieferknochen gebildet und überzieht die Zahnkrone wie eine Glocke. Nach Beendigung der Schmelzbildung werden die schmelzbildenden Zellen abgebaut, eine Reparatur von Schmelzschäden ist daher durch den Zahn nicht möglich. Werden die schmelzbildenden Zellen während dieser Bildungsphase zerstört, sind Schäden in der Schmelzschicht die Folge. Oftmals sind bakterielle oder virale Infektionen die Ursache, es gibt jedoch auch genetische Defekte die solche Phänomene nach sich ziehen. Darüber hinaus können auch traumatische Ereignisse wie Bißverletzungen, systemische Störungen wie bei einer Nebenschilddrüsenunterfunktion oder schädigende Medikamente und mangelhafte Ernährung solche Schäden verursachen. Teilweise sind  die Schmelzschäden beim Durchbruches des Zahnes durch das Zahnfleisch noch nicht erkennbar. Erst wenn der Zahn durch Kautätigkeit belastet wird, bröckelt die qualitativ minderwertzige Schmelzpartie ab und es entstehen flächenartige Vertiefungen, in denen das Zahnbein dann freiliegt. Die Therapie besteht in der Entfernung geschädigter Schmelzanteile und Versiegelung des freiliegenden Zahnbeines oder Auffüllen der Defekte. Auch eine Überkronung der betroffenen Zähne kann durchgeführt werden

Schmelzschaden am rechten Oberkieferfangzahn

Vor der Behandlung:
Der rechte Oberkieferfangzahn weist einen Defekt der Schmelzoberfläche auf. Das Zahnbein liegt frei und ist durch seine dunklere Färbung zu erkennen. Als Ursache lag eine nicht behandelte Fraktur des Milchcaninus vor. Die anschließende Entzündung schädigte die schmelzbildenden Zellen des neuen Fangzahne

Nach der Behandlung:
Nach Entfernung der geschädigten Schmelzanteile und Aufarbeitung der freiliegenden Zahnbeinfläche ist der Defekt mit einer Kunststofffüllung versehen worde

Karies

Unter Karies versteht man den Abbau der Zahnhartsubstanzen, der durch Säure produzierende Bakterien im Zahnbelag verursacht wird. Einige Bakterien verstoffwechseln vorzugsweise Kohlenhydrate ( Zuckerstoffe). Dabei setzen diese Bakterien Stoffwechselprodukte frei, die einen starken Säureanteil besitzen. Diese Säuren lösen den Zahnschmelz auf und breiten sich in das darunterliegende, weichere Zahnbein aus. Die Karies tritt bevorzugt an Zähnen mit einer ausgeprägten Mahlfläche auf, wie sie beim Hund an den letzten beiden Oberkieferbackenzähnen zu finden sind. Wie beim Menschen können solche Defekte durch eine Füllung verschlossen werden. Ist die Schädigung jedoch zu weit fortgeschritten, müssen die betroffenen Zähne gezogen werden

Vor der Behandlung:
Karies auf der Kaufläche des ersten linken Oberkieferbackenzahn. In der Mitte der Kaufläche ist ein nahezu kreisrunder Defekt des Zahnschmelz und des Zahnbein sichtbar, die Wurzelhöhle ist am Boden des Defektes sichtbar.

Nach der Behandlung:
Nachdem das freiliegende Wurzelgewebe versorgt wurde ist der Defekt mit einer Kunststofffüllung verschlossen worden

Zahnmißbildungen

Werden bei der Zahnbildung auch die Zellen geschädigt, die für die Bildung des Zahnbein verantwortlich sind, können auch in diesem Gewebe schwere Mißbildungen die Folge sein. Dies ist durch fehlerhaft gestaltete Kronenformen oder mangelhafte Ausbildung der Zahnwurzel zu erkennen. Auch kann eine Verlagerung der Zahnstellung oder der Verbleib des Zahnes im Kieferknochen die Folge sein. Führt eine solche Mißbildung zu Folgeschäden, beispielweise  durch fehlerhaften Kontakt mit anderen Zähnen oder Weichteilgewebe des Maules, so sollte der Zahn entfernt werden. Im Kieferknochen steckengebliebene Zähne sollten wegen der Gefahr einer Zystenbildung des Knochen operativ entfernt werden.

Der Reißzahn des linken Oberkiefer ist nicht korrekt ausgebildet. Zusätzlich sind die Kronen des 1. und 2. Molaren
( Backenzahn) stark mißgebildet. Es sind lediglich Reste dieser Zahnanlagen im Kieferbereich sichtbar. Wegen bereits einsetzender Zystenbildung des Kieferknochen wurden die fehlerhaften Zahnanlagen chirurgisch entfernt

Der Reißzahn des rechten Unterkiefer ist stark mißgebildet. Der reguläre Aufbau der verschiedenen Zahnanteile ( Wurzelgewebe, Zahnbein und Zahnschmelz) ist gestört. Das Ergebnis ist ein ungeordneter Zahnklumpen ohne erkennbaren Kronen oder Wurzelaufbau

Der Reißzahn des linken Unterkiefer weist an seiner vorderen Begrenzung ( im Bild links) einen Schmelzschaden mit freiliegendem Zahnbein auf. An seiner hinteren Begrenzung (im Bild rechts) ist die Krone mangelhaft ausgebildet. In der Folge ist es bereits zu Auflösungserscheinungen gekommen. Auch der erste Backenzahn – rechts des Reißzahnes – weist an seiner vorderen Begrenzung Schmelzschäden auf. Aufgrund der fortgeschrittenen Auflösung des Reißzahnes wurde dieser Zahn entfernt.

Resorptive Läsionen

Werden bei der allgemein bekannten Karies die Zahnhartsubstanzen durch die von Bakterien produzierten Säuren aufgelöst, so geschiet dies bei den resoptiven Läsionen durch körpereigene „Abräumzellen“. Im Normalfall werden diese Zellen aktiviert, wenn zugrunde gegangenes oder zerstörtes Körpergewebe aufgelöst und resorbiert werden muß. Im Anschluss daran kann der Körper regenerative Prozesse einleiten und die Gewebe neu aufbauen. Beim Hund kann in seltenen Fällen eine Sonderform auftreten, bei der diese Zellen fehlerhaft aktiviert werden und gesunde Zahnhartsubstanz auflösen. Die entstehenden Läsionen werden von dem umgebenden Körpergewebe mit Ersatzgewebe aufgefüllt, so dass eine unstrukturierte Narbe aus Binde- und Weichteilgewebe entsteht

Odontoklastische resorptive Läsion des vierten Praemolaren im rechten Unterkiefer. Der vordere Teil der Zahnkrone ist aufgelöst, die Sonde kann in das neu gebildete Weichteilgewebe eingeführt werden. Auch der dazu gehörende Zahnhalteapparat ist durch die gleichzeitig ablaufende Entzündung geschädigt. Die Therapie der Wahl ist die Extraktion des Zahnes

Odontoklastische resorptive Läsion des vierten Vorbackenzahn im linken Unterkiefer. Die Zahnkrone ist von der Maulhöhlenseite her ausgehölt, die Läsion ist bereits mit Ersatzgewebe aufgefüllt. Die Erkrankung ist für die betroffenen Tiere schmerzhaft, es kommt zu Fressunlust, Maulgeruch, Reiben mit der Pfote über das Maul oder mit dem Kopf über den Boden.

Ein erblicher Hintergrund kann vermutet werden, da es zu einer   Rasse- und familiären Häufung dieser Fälle kommt

Odontoklastische resorptive  Läsion des ersten Backenzahn des rechten Unterkiefer. Auch hier ist die Zahnkrone von der Maulhöhlenseite her aufgelöst. Ein Großteil der ehemaligen Krone ist durch Narbengewebe ersetzt.

Diese Tier ist die Mutter der im vorherigen Bild dargestellten Patientin. Eine weitere weibliche Nachkomme wies die selbe Symptomatik auf.